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Wissenswertes zum Handfilz:

 

Das Filzen - aus der ungesponnenen, geschorenen oder abgeworfenen tierischen Faser - ist die älteste Textiltechnik. Sie muss zwangsläufig vor dem Spinnen und dem Weben entstanden sein.

Alles Tierhaar, das von Schafen (von mehr als 900 Schafsrassen weltweit) stammt, nennt man Wolle. Alle anderen Tierfasern nennen sich Haare. So lassen sich z.B. das Haar von Kamelen, von Yaks, von Mohair-Ziegen (Mohair), von Angora-Kaninchen (Angora) und Alpakas in gleicher Weise zu Filz verarbeiten. Ja, selbst Hundehaar und das Haar von Bisons lässt sich verfilzen.

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Wolle und Haare sind nachwachsende Rohstoffe, für die kein Tier sterben muss. Die einzige Ausnahme ist das Haar von Kaninchen für die industrielle Herstellung von Hutrohlingen. Diese Kaninchen müssen leider ihr Leben lassen.

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Ursprung

Wahrscheinlich ist der erste Filz – wie bei so vielem – durch Zufall entstanden.

Weiche Tierhaare, die diese beim Fellwechsel abstreifen, hat man gesammelt, um darauf zu sitzen. Durch Schweiß, ergo Feuchtigkeit, und Reibung entstand der erste Filz. Doch ist dies nur eine von vielen Entstehungserklärungen.

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Herkunft

Archäologische Funde und Schätzungen aus der jüngeren Steinzeit legen nahe, dass bereits zu dieser Zeit Wolle zu Filz verarbeitet wurde. Da jedoch dieser Werkstoff ein ökologisch sehr gut abbaubares Material ist, können aufgrund dieser Eigenschaft einwandfrei zuordenbare Artefakte aus frühen Jahrhunderten kaum gefunden werden. Entstanden im steppenartigen Hochlandgürtel um den Himalaja, beginnend im Süden in Pakistan, dem Iran über Afghanistan, Zentralasien bis hin zu Korea mit heißen Sommern, kalten Wintern und armen Böden, waren die Menschen zum Nomadentum gezwungen. Leichte, schnell bewegliche Behausungen aus Filz, die sowohl winters wie sommers entsprechenden Schutz boten, waren aufgrund der Viehzucht das Mittel der Wahl.

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Die ältesten anspruchsvollen und ausdrucksstarken Filzfunde datieren zurück bis ins 6. Jahrhundert vor Christus und stammen aus Pazyryk im Altaigebirge. Es handelt sich dabei vorwiegend um rituelle Gegenstände; aber auch Praktisches wie Satteldecken wurden gefunden. Die antiken Fundorte erstrecken sich von Nordeuropa über die Türkei, den o.g. Hochlandgürtel bis nach Japan hinein. (s. auch „Filzen, Alte Tradition - modernes Handwerk“, Gunilla Paetau-Sjöberg)

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Die ältesten Funde auch Norddeutschland/Nordeuropa stammen aus der Zeit um 1500 v. Chr. Im Mittelmeerraum datieren Funde um 700 v. Chr. Anhand von Wandmalereien im untergegangene Pompeji kann man belegen, dass bereits zu jener Zeit in Südeuropa gefilzt wurde.

 

Nach Nord- und Südamerika gelangte der Filz jedoch erst über die spanischen Eroberer.

 

Verwendung in der Vergangenheit

Filz wurde für sehr unterschiedliche Bereiche verwendet. An vorderster Stelle dürften dabei die Zelte der Nomaden gestanden haben: leicht, schnell auf- und abzubauen, platzsparend zu transportieren. Danach oder auch gleichzeitig kam der Einsatz als Bekleidung: Jacken, Westen, Schals, Mützen, Hand- und Hausschuhe. Schließlich wurden daraus – verarbeitet mit Metall und Leder – auch dekorative Gegenstände.

Über die Jahrhunderte geriet der Filz zwar nicht in Vergessenheit, doch wurde er erst über Mary E. Burkett mit ihrem Buch „The Art of the Felt Maker“ (1979) als textile Kunst/textiles Handwerk wieder in unser Gesichtsfeld gerückt. Und in den letzten 25 Jahren hat der Filz wahre Quantensprünge in seiner Entwicklung hingelegt. Sein Image grau und kratzig hat er gegen kreativ, leicht, farbenfroh eingetauscht.

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Herstellung

Die ungesponnene Faser wird genässt. Dadurch stellen sich die Schuppen der Fasern auf. Durch Reibung verhaken sich diese Schuppen: es entsteht FILZ. Zu beachten ist, dass das Werkstück während des Herstellungsprozesses stark schrumpft. Der so entstandene Filz weist keine Richtung auf, z.B. im Gegensatz zu Geweben oder Gestricken. Folglich kann man ihm jede Richtung geben und ihn ohne Naht in die Dreidimensionalität überführen. Auch Schnitte können ihn nicht aus der Ruhe bringen: er franst nicht aus und rebbelt nicht auf.

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Eigenschaften

Darüber hinaus weist die Wolle u.a. folgende Eigenschaften auf (s. Wikipedia: Wolle, praktische Gebrauchs-Eigenschaften):

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- Wolle hat eine so genannte natürliche Thermoregulations-Eigenschaft. Da Wollwaren (bezogen auf ihr Gesamtvolumen) aus bis zu 85 % Luft bestehen und das Gewebe Konvektion verhindert, eignen sie sich als Wärmeisolatoren. Umgangssprachlich heißt es deshalb, dass Wolle gut „wärmt“, obwohl Wolle selbst eigentlich nur die Wärme des Körpers speichert.

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- Wolle kann große Mengen an Wasserdampf aufnehmen, die Oberfläche stößt Wasser jedoch ab. Die Aufnahme kann bis zu 33 % des Trockengewichts der Wolle betragen, ohne dass sie sich feucht anfühlt. Außerdem leitet sie die Feuchtigkeit wesentlich schneller ab als beispielsweise die viel verwendete Baumwolle.

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- Wolle nimmt Schmutz schlecht an, die elastische Faser knittert kaum.

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- Sie ist sehr farbbeständig und schwer entflammbar. Sie brennt nicht, sondern verkohlt nur.

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- Wolle nimmt im Gegensatz zu Kunstfasern wenig Gerüche (z. B. Schweiß) an und hat eine natürliche Selbstreinigungsfunktion – aufgenommener Geruch wird wieder an die Luft abgegeben, die Wolle riecht nach kurzem Lüften wieder neutral und frisch.

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- Sie kann Schweiß chemisch binden und somit lange neutralisieren.

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- sie dämpft Geräusche und schluckt den Schall. Wolle und Haare sind als Naturprodukte vollständig biologisch abbaubar und – außer für Tierhaarallergiker – sehr hautverträglich.

 

Verwendung in der Gegenwart

Kleidung und natürlich Kopfbedeckungen werden auch heute noch aus Filz hergestellt. Gut sitzende Kleidungsstücke ohne Naht sind dabei das Nonplusultra der Filzkunst, jedoch nicht gerade häufig anzutreffen.

Stark erweitert hat sich das Spektrum an Heimtextilien. Dazu gehören u.a. Tischläufer, Sets, Sitzunterlagen, Kissen, Teppiche, Polsterstoffe, Vorhänge, Akustikpaneele und Wandbehänge. Filzschmuck, Taschen und Dekoratives für Haus und Garten haben ihren Platz und bieten der Kreativität keine Grenzen. Seit einiger Zeit stellen versierte Filzhandwerker im Zuge des Trends hin zu lederfreiem Schuhwerk auch Filzschuhe und -stiefel mit richtigen Sohlen her. Da wir heutzutage eher in festen Behausungen leben, sind Einsätze im Freien eher selten, es sei denn, man möchte seine persönliche Jurte. Im Zuge der stark angestiegenen Zahl von Beisetzungen in Fried- und Ruhewäldern sind auch gefilzte Urnen für die Aschekapseln ein zunehmend interessantes Thema. Sie entsprechen den Anforderungen für diese Art der Beisetzungen, dass die Schmuckbehältnisse um die Aschekapseln herum biologisch abbaubar sein müssen.

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Pflege

Die dichte Faserstruktur des Filzes verhindert ein tiefes Eindringen von Flüssigkeiten und Verschmutzungen. Es reicht also, wenn Sie den Schmutz absaugen oder eine weiche Bürste für die Reinigung verwenden. Wollfilz können Sie auch in einer Wollwaschmittel-Lauge einweichen. Drücken Sie mittels Handtücher das Wasser aus dem Filz. Nicht wringen! Lassen sie den Filz danach trocknen, ohne ihn direkter

Sonneneinstrahlung auszusetzen. So getrocknete Wolle lässt sich problemlos mit einem feuchten Tuch bügeln. Reinen Wollfilz können Sie auch chemisch reinigen lassen. Waschen Sie jedoch nur, wenn unbedingt nötig. Halten Sie sich dabei unbedingt an die Angaben des Herstellers!

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Wollschädlinge

Bei Wolle haben Sie es mit 2 Schädlingen zu tun. Zum einem ist das der Pelzkäfer: durch ihn, resp. seine Larve entstehen in ihrer Wollbekleidung Löcher, d.h. im Filz sind es tatsächlich runde Löcher und in Gestricktem und Gewebtem sind es ausgefranste Löcher. Zum anderen ist es die Kleidermotte: ihre Larve ‚arbeitet‘ sich über die

Wolloberfläche in etwas tiefer liegenden ‚Kanälen‘. Ist das/der Gewebe/Gestrick/Filz dünn genug, können auch durch diese Larve Löcher entstehen. Beide Schädlinge lieben es ruhig und mollig warm, möglichst auch noch mit den Hautschuppen vom letzten Tragen. Doch es gibt ein natürliches und umweltfreundliches Mittel, das sie vertreibt: Neem- oder Niem-Öl. Dieser Baum wächst in Südasien. In ihm, unter ihm, über ihm und um ihn herum gedeihen keine Insekten, resp. Getier, dass sich häuten muss. Das ätherische Öl dieses Baums verhindert dies. Man kauft es entweder fertig oder mischt es sich selber: eine 2%-ige Lösung in Alkohol (kaufen Sie den teureren, denn der riecht besser und das Öl bleibt gelöst) genügt.

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Bevor Sie nach dem Frühjahr Ihr Wollgut gewaschen in den Schrank legen, sprühen Sie es aus etwa 30 cm Entfernung von beiden Seiten mit einem kurzen Sprühstoß ein. Wiederholen Sie dies alle 30-40 Tage: das Wollgut kurz aus dem Schrank holen, einsprühen und wieder zurücklegen.

Sie werden – wenn überhaupt – nurmehr selten ‚Mottenlöcher‘ finden.

Übrigens kann man Neem-Öl auch sehr gut im Garten gegen allerlei Ungeziefer einsetzen.

(Text von Sigrid Bannier)

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